|
|
|
06. Januar 2009 Father Elijah
"Father
Elijah" von Michael
O'Brien trägt den Untertitel "Eine Apokalypse" und macht
damit bereits deutlich, auf welches Ende der Roman zusteuert: den
Untergang der Welt. Und zwar den tatsächlichen und
unwiderruflichen Untergang der Welt, den man mit dem Begriff
Apokalypse verband, bevor Bücher und Filme des
"postapokalyptischen" Genre darunter nicht mehr das Ende der
Welt, sondern
"The End of the World As We Know It" verstanden.
Das Ende der Welt bei Michael O'Brien ist das Ende der Welt, wie es der
Apostel Johannes in der Offenbarung beschreibt. "Father Elijah" ist
also ein Endzeitroman. Ursprünglich 1996 herausgekommen, ist
er somit die katholische Antwort auf die weit spektakulärere
evangelikale Endzeitserie "Left Behind", die sich in Amerika lange Zeit
in den Bestsellerlisten halten konnte. Während der
amerikanische Erfolg der evangelikalen Endzeitversion auch in
Deutschland unter dem Titel "Finale" einige Leser bescherte, blieb
"Father Elijah" in Deutschland praktisch völlig unbemerkt,
obwohl er es in Amerika auf die Bestsellerlisten schaffte.
Deutsche
Ausgabe im
fe-Verlag
Nun veröffentlicht der fe-Verlag das Buch in der
Übersetzung von Gabriele Kuby endlich auch auf Deutsch.
Während er früher für sehr fromme Literatur
mit sehr grauenhaftem Titellayout bekannt war, hat der katholische
Kleinstverlag hier alles richtig gemacht: das Buch sieht mit und ohne
Schutzumschlag ordentlich aus und könnte so auch von einem
großen deutschen Verlag stammen, falls es neben Random House
überhaupt noch einen anderen großen deutschen Verlag
gibt. Die teilweise tatsächlich irreführende
Vertauschung der Anführungszeichen, die der Rezensent der
"Karl Leisner Jugend" zu recht bemängelt,
schmälern die Leistung des fe-Verlags, für den Preis
eines größeren Taschenbuchs ein umfangreiches
gebundes Buch herausgebracht zu haben, in keiner Weise.
Sehr
heutige Zukunft
Michael O'Briens Apokalypse spielt in einer "Zukunft, die sehr
heutig ist", wie Alexander Kissler von der Süddeutschen
Zeitung in der einzigen mir bekannten Rezension
des Romans bemerkt, genauer noch in einer vom Zeitpunkt der
Veröffentlichung aus gedachten nicht allzuferner Zukunft.
Ungefähr also in einem von 1996 aus erdachten fiktiven 1998:
Johannes Paul II. ist Papst und Josef Ratzinger Präfekt der
Glaubenskongregation.
In dieser Zeit schickt sich der charismatische und überaus
mächtige Präsident der Europäischen Union
an, der Welt unter dem Banner einer säkularen und
humanistischen, aber spirituell aufgeladenen Welteinheitsbewegung den
Frieden zu bringen. Der Papst erkennt die Gefahr, die sich hinter
diesem scheibar hehren Ziel verbirgt und schickt den Karmeliter Father
Elijah zum Präsidenten, um Möglichkeiten der
Vermittlung zu sondieren.
Endzeitlicher
Kampf in der Kirche
Während die Welt dem Präsidenten zujubelt und sie die
Kirche bestenfalls als überholt, wenn nicht als
gefährliches Hindernis auf dem Weg
zum angekündigten "nächsten Schritt der
Evolution" ansieht, entbrennt ein Kampf hinter den Kulissen,
der
nicht wenigen Verbündeten Father Elijahs das Leben kostet.
Dieser endzeitliche Kampf ist jedoch nicht auf die Sphäre der
"Welt" beschränkt, denn die Mächte des Antichristen
sind schon seit langem auch in die Kirche eingedrungen. Dort versuchen
sie, die Kirche von ihrem jahrhundertealten Ballast des Aberglaubens zu
befreien, damit die Kirche ihre Bestimmung als Teil der humanistischen
Welteinheit verwirklichen kann. Obwohl es immer deutlicher wird, dass
tatsächlich das Ende der Welt heraufzieht, sieht
man kaum deutliche Eingriffe der
übernatürlichen apokalyptischen Gegenspieler, die
Hauptverantwortung für das Geschehen liegt bei den
menschlichen Protagonisten. Im Gegensatz zu manchen anderen christlich
gefärbten Romanen, bleibt
hier die göttliche Rettung aus gefährlichen
Situationen aus. Das
göttliche Eingreifen rettet niemandem das Leben, es sorgt
höchstens für
notwendige Klärungen. Die Gläubigen und
Ungläubigen sind in ihren
Handlungen auf sich gestellt, Gebet mag wirksam sein, wie Father Elijah
zuweilen andeutet, aber es führt bei Michael O'Brien nicht zum
happy
end.
Zwischen
Satire und
Realismus
Wenn O'Brien den Kampf innerhalb der Kirche beschreibt, dann
beschränkt er sich nicht auf den unvermeidlichen Kardinal, der
zu den Gegnern überläuft, sei es aus Ignoranz oder
Opportunismus, sondern schildert auch den "Kampf an der Basis", in dem
gläubige Mitarbeiter in der Kirche durch Mobbing und Intrigen,
durch dauernde Schikane und sogar gerichtliche Verurteilungen aufgrund
gefälschter Beweise psychisch und auch physisch zugrunde
gerichtet werden, um ihren Platz mit "offeneren und kritischeren"
Leuten
besetzen zu können, die eher den Erfordernissen der heutigen
Welt und natürlich der Welteinheitsbewegung des
Präsidenten entsprichen. Wenn Michael O'Brien im weiteren
schildert, wie Priester aufgrund ihres orthodoxen Glaubens in
kirchliche "Rehabilitationszentren" beordert werden, in denen ihre
Persönlichkeit mit einer Mischung aus albernen und heidnischen
Praktiken gebrochen werden sollen, mag manch einer mit Alexander
Kissler darin Satire sehen, Michael O'Brien betont hingegen, dass seine
Schilderung auf realen Fällen beruht.
Der
Roman als
intellektuelles Gefecht
Mit
der Figur des Father Elijah, der zunächst als Junge den
Holocaust knapp überlebt, dann als einflussreicher
israelischer Politiker Frau und Kind verliert und nach einer Zeit
tiefer Verweiflung schließlich konvertriert und
Karmeliterpater im Heiligen Land wird, gelingt es Michael O'Brien, im
Fortgang der Handlung die Frage nach dem menschlichen Leid,
menschlicher Bosheit und nach dem Handeln Gottes zu behandeln, ohne
daß man das Gefühl hat, einen
überkonstruierten philosophischen Roman zu lesen, auch wenn
der jeweilige weltanschauliche Hintergrund Elijahs
Gesprächspartner, seien es nun Gegener oder
Gefährten, und damit ihre Funktion im intellektuellen
Gefecht des Romans, meist sehr schnell deutlich wird.
Katholischer
Mysterythriller
Alexander Kissler nennt den Roman zurecht einen "katholischen
Mystery-Thriller",
"der zuweilen wie ein gewendeter Dan Brown daherkommt", denn trotz des
anspruchsvollen theologischen Hintergrundes ist "Father
Elijah"
auch ein gut geschriebener und spannender Roman. Zwar wird man kaum
erwarten können, daß er in Deutschland
außerhalb der einschlägigen Zirkel ein Erfolg wird,
zu wünschen wäre es ihm aber
trotzdem.
Und wer sich auf die eine oder andere Weise diesen
einschlägigen Zirkeln zugehörig fühlt,
sollte das Buch tatsächlich unbedingt lesen, denn es ist eines
der wenigen wirklich gelungenen Exemplare orthodoxer katholischer
Gegenkultur.
Michael
O'Brien, Father
Elijah, Kisslegg 2008, 19,80 Euro.
Rezensionen
Alexander Kissler, Der Kardinal und die Yoga-Priester,
in: Süddeutsche Zeitung (22. August 2008).
Karl-Leisner-Jugend (Hg.): Buchempfehlungen.
Auszüge
aus dem Roman
Der
Herr ist nah, meine Brüder. Die Zeit ist nicht mehr weit
entfernt!,
in: kath.net (1. November 2008).
Meine erste Liebe sind die Heiligen
Schriften, in: kath.net (8.
November 2008).
Denn vor uns liegt eine Schlacht,
in: kath.net (15. November 2008).
Vom Himmel nur Schweigen?,
in: kath.net (22. November 2008).
Als wäre das Sein als
solches kein Wunder, in:
kath.net (29. November 2008).
Twittern
|
|
|
|
|
|