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14. Juli 2005 Berger In der Blogozese geht's rund ([lumen de lumine] [Katholisches Notizbuch] [fonolog]), denn einer der bekanntesten katholischen Theologen, der
"seine Kirchensteuern in der evangelischen Landeskirche zahlt", hat in der FAZ einen lustigen
Vorschlag zur Ökumene gemacht: Kurz gesagt sollen die anderen Konfessionen sich Rom
unterwerfen und dafür eigene Patriarchate bekommen, in denen sie ihre eigenen Riten
weiterpraktizieren können: also z. B. verheiratete Priester haben und Frauen ordinieren.
Eine ähnliche Idee hat vor einigen Jahren Uwe Siemon-Netto (der auf lutherischer Seite immer
für überraschende Ansichten gut ist) schon mal geäußert.
Kurz zusammengefaßt: auf den ersten Blick Wahnsinn, auf den zweiten Blick denkbar, auf den dritten
Blick undurchführbar. Tatsächlich gibt es in der Kirche überraschend unterschiedliche Riten
nebeneinander (etwa den neu gebastelten Zairischen Ritus [obwohl es Zaire nicht mehr gibt],
den lateinischen, den syro-malabarischen und den tridentinischen, um nur einige zu nennen) und
mit dem byzantinischen Ritus der unierten Ostkirchen sogar die Möglichkeit verheirateter
Priester. Und wirklich gibt es gerade für Rückkehrer aus den anglikanischen Kirchen
sogar die Möglichkeit, die Messe nach dem anglikanischenCommon Book of Prayer zu
feiern. Vor kurzem ist außerdem für die Rückkehrer einer schismatisch-traditionalistischen
Gemeinschaft in Südamerika eine eigene Personalprälatur eingerichtet worden. Von den
Bergerschen "Patriarchaten Reformatorischer Prägung" ist das soweit gar nicht entfernt.
Und noch einen richtigen Punkt führt Berger an: Wer Frauen ordiniert, hat ein anderes
Verständnis von Liturgie, eines, das nicht römisch-katholisch und auch nicht orthodox ist.
Aber eines, das Gottesdienst in erster Linie als Gemeindeversammlung betrachtet. Das
ist fein beobachtet. Und der Grund, weswegen Katholiken auch Gottesdienste protestantischer
Pastorinnen besuchen können (natürlich ohne damit die Meßpflicht zu erfüllen): ein feiner
Wortgottesdienst kann ja von einer Frau geleitet werden.
Nun geben zumindest anglikanische Priesterinnen (und demnächst Bischöfinnen) allerdings
vor, Eucharistie zu feiern wie die Katholiken. Deswegen kann das hier schonmal nicht
funktionieren. Und wenn die Eucharistie "Höhepunkt und Ziel christlichen Lebens" ist, dann
können katholische Patriarchate reformatorischer Prägung darauf natürlich auch nicht
freiwillig verzichten und immer nur packende Wortgottesdienste feiern.
Und noch eine ketzerische Bemerkung sei angefügt: wenn ich mir vorstelle, daß die
Begeisterung, die auf evangelikaler Seite zumindest oft für Gott und Gottes Wort sichtbar
wird und auch nach außen getragen wird, in der Spießigkeit
solcher Familiengottesdienste
enden könnte, dann werde ich von Grauen erfaßt.
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Kommentare:
Eine Unterwerfung, die nichts kostet, ist keine. Ohne Bergers Artikel gelesen zu haben (und tatsächlich ist die Idee faszinierend, all die schwarzen Talare, violetten Soutanen und vielleicht sogar den servus servorum im Staub zu sehen): dürfen die dann auch glauben, was sie wollen? Und was darf der Papst noch bestimmen – nur Disziplinarisches oder gar noch Glaube und Sitten?
scipio () (URL) - 14 Juli '05 - 20:04
Und was ist mit: “Evangelisch- aus gutem Grund.”?
lili - 15 Juli '05 - 00:12
@scipio: Bevor man Berger kritisiert, würde ich doch empfehlen, seinen Artikel mal ganz zu lesen, bevor man ihn kommentiert
Zum Thema Spießigkeit von Familiengottesdiensten: vielleicht ist ja mit Zeitgeist etwas anderes gemeint: der Heilige Geist, der auch noch in unsere Zeit hineinwirkt und etwas zu sagen hat? Ich kann natürlich auch über diese Gruppe nichts sagen, aber vielleicht lohnt es sich in solchen Fällen, eine andere als die naheliegende Erklärung zu suchen und zu finden?
Dr. Matthias O. Will () (URL) - 16 Juli '05 - 09:59
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Nein, denn es geht überhaupt nicht um die Gruppe “Zeitgeist”.
Dybart Simpson - 16 Juli '05 - 10:33
Dann wird man mir sicher erklären können, worin der Bezug zur Spießigkeit besteht?
Dr. Matthias O. Will () (URL) - 16 Juli '05 - 10:46
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Er ist ein Symbol dafür.
Dybart Simpson - 16 Juli '05 - 11:56
@ Dr. Matthias O. Will: Bevor man jemanden kritisiert, würde ich doch empfehlen, genau zu lesen, was man kommentiert, bevor man kommentiert. Ich habe gefragt, vielleicht vorwitzig, aber immerhin: nur gefragt, weil nämlich von den Objekten meiner Neugier in den geposteten Auszügen nicht die Rede war. Und als alter Berger-Leser, ja: -Fan werde ich das noch dürfen.
re:Zeitgeist: Als Nachbar des “Zeitgeistes” kann ich die Einschätzung Dybarts nur bestätigen. Ich würde sogar noch weiter gehen: “Zeitgeist” ist ein “Realsymbol” für spießige Familiengottesdienste.
scipio () (URL) - 16 Juli '05 - 13:12
Gibt es nichtspießige Familiengottesdienst?
Ich für meinen Teil (als Vater und Musiker) haben es immer so erlebt, daß Kinder ge(miß-?)braucht wurden, etwas zu tun, was ihre (Groß-)Eltern süß fanden.
dilettantus in interrete () (URL) - 17 Juli '05 - 10:49
Ich habe verstanden. Liegt also wohl eher daran, dass Familiengottesdienste in Euren Köpfen per Definition etwas Spießiges sind. Das muss aber nicht so sein, wenn man sich mal ein wenig Mühe macht, sich etwas Neues auszudenken.
Dr. Matthias O. Will () (URL) - 17 Juli '05 - 12:48
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Ich verwahre mich gegen diese Unterstellung.
Dybart Simpson - 17 Juli '05 - 13:12
Das muss aber nicht so sein, wenn man sich mal ein wenig Mühe macht, sich etwas Neues auszudenken.
Liegt nicht gerade darin die Gefahr? Schließlich ist ein Gottesdienst ja keine Unterhaltungsveranstaltung, sondern “Dienst an Gott” – wie schon der Name sagt…
Petra () (URL) - 17 Juli '05 - 14:06
Die Gefahr sehe ich schon, aber ich glaube, dass es im Rahmen der bestehenden Liturgie genügend Möglichkeiten für Neues gibt, wobei das Neue an sich natürlich kein Wert an sich darstellt (morgen ist auch das Neue wieder alt). Ebensowenig darf es darum gehen, einen Familiengottesdienst dadurch attraktiv zu machen, dass man nach dem schaut, was eine Gruppe xy möchte (xy = {Eltern,Großeltern,Kinder,Geistliche, ...}.
Aber die Liturgie allein macht es eben auch noch nicht. Das denke ich mir jedesmal, wenn ich aus solchen Veranstaltungen komme, bei denen ich den Eindruck hatte, dass es an guter Verkündigung gefehlt hat.
Und die Alternative zu klerikaler Langeweile ist für mich nicht notwendigerweise Entertainment. Ich verstehe aber ebensowenig, was diese künstliche Polarisierung soll.
Dr. Matthias O. Will () (URL) - 17 Juli '05 - 14:27
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Ich sehe hier keine künstliche Polarisierung.
Dybart Simpson - 17 Juli '05 - 17:59
Wer sich für den Zairischen Ritus interessiert: Es gibt ein kleines Taschenbuch, seit Jahren die erste deutschsprachige Publikation zum Thema, das sich eingehend mit dieser kongolesischen Spezialität befasst. (siehe URLneben dem Namen)
Hans Muster (URL) - 17 Februar '14 - 11:26
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