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16. Dezember 2016 Warum sogenannte Fundamentalisten heute aufgeklärter sind als der säkulare Mainstream  

Ignoranter Relativismus - Warum sogenannte Fundamentalisten heute aufgeklärter sind als der säkulare Mainstream

Bei den halbwegs gebildeten, meist studentischen oder studierten Anhängern einer säkular-relativistischen Weltsicht ist mehr und mehr zu beobachten, dass ihnen die Fähigkeit zur Reflexion ihrer Überzeugung völlig fehlt. Bedauerlicherweise ist das nicht als polemische Metapher, sondern im Wortsinne gemeint: ein offenbar stetig wachsender Teil derjenigen, die sich selbst vermutlich irrigerweise als kritische Intellektuelle verstehen, ist tatsächlich nicht mehr in der Lage, ihre eigene Weltsicht als subjektive Überzeugung und damit als nur eine unter vielen möglichen Meinungen zu erkennen. Obwohl sie ihre eigene Weltsicht mit unhinterfragbarer Wahrheit verwechseln, lehnen sie gleichzeitig ausdrücklich jeden Wahrheitsbegriff ab oder sind sogar nicht mehr fähig das Konzept „Wahrheit“ überhaupt zu verstehen. Der Satz „Für den einen ist das wahr, für den anderen das Gegenteil“ ist für sie keine an sich paradoxe Beschreibung der Tatsache, dass Menschen unterschiedliche Auffassungen haben, weil sie aufgrund ihrer menschlichen Begrenztheit die objektive Wahrheit nicht restlos erkennen können, sondern gibt tatsächlich ihren Wahrheitsbegriff wieder.

Kampf gegen andere Auffassungen

Um die Spirale noch weiterzudrehen, geht mit diesem dem engstirnigen Fundamentalismus verwandten Phänomen auch die Brandmarkung und Bekämpfung all jener einher, die eine andere Auffassung vertreten. Wer also die Meinung vertritt, es gebe Wahrheit und folglich auch Richtig und Falsch, wird von ihnen dafür angefeindet und ausgegrenzt. Und dies mit der Begründung, wer seine eigene Auffassung als richtig erachte, werte damit alle anderen Menschen ab. Dass sie genau das selbst tun, ist ihnen nicht mehr begreiflich zu machen, weil sie ihre relativistischen Wertmaßstäbe nicht als subjektive Überzeugung, sondern als objektive Weltbeschreibung wahrnehmen.

Aufgeklärte Fundamentalisten

Interessanterweise steht diesen „Fundamentalisten der Aufklärung“ mit den „aufgeklärten Fundamentalisten“ eine zahlenmäßig weit unterlegene Gruppe gegenüber, die das genaue Gegenteil verkörpert. Sie haben klare moralische Vorstellungen und hängen religiösen Dogmen wie der Jungfrauengeburt und der leiblichen Auferstehung an, die von der gesellschaftlichen Mehrheit nicht geteilt und sogar klar abgelehnt werden. Überraschenderweise ist sich aber gerade dieser Gruppe völlig darüber im klaren, daß die eigene Meinung und Weltsicht nicht die einzig mögliche ist. Ihre Mitglieder sind natürlich von der Richtigkeit der eigenen Ansichten überzeugt und machen das in der Regel auch deutlich. Im Gegensatz zu den Vertretern des ignoranten Relativismus ist ihnen aber bewusst, dass man auch andere Meinungen stringent vertreten kann. Sie haben ebenso erkannt, daß das Fürwahrhalten einer Position notwendig die Ablehnung des Gegenteils bedeutet. Gerade deswegen sind sie in der Lage, widerstreitende Meinungen zu akzeptieren und sich sachlich damit auseinanderzusetzen. Fehlt nämlich diese Fähigkeit zur Reflexion, werden andere Überzeugungen nicht als irrige, aber mögliche Meinungen wahrgenommen, sondern als gefährlichen Angriff auf die objektiven und unleugbaren Grundgegebenheiten der Welt. Eine Diskussion oder gar Verständigung ist dadurch nicht mehr möglich.

Kulturelle Dominanz des Relativismus

Der Grund für dieses zunächst überraschende Phänomen liegt vermutlich in der kulturellen Dominanz des säkular-relativistischen Weltbildes in unserer Gesellschaft. Bis weit in die Kirchen hinein scheint der säkulare Relativismus so sehr allgemeiner Konsens zu sein, daß diejenigen, die in den letzten ungefähr 25 Jahren aufwuchsen, es für die einzige Möglichkeit der Wirklichkeitsdeutung halten, weil sie nie ernsthaft mit anderen Überzeugungen konfrontiert wurden. Anders verhält es sich bei der Minderheit der „aufgeklärten Fundamentalisten“. Von Beginn an müssen sie sich damit auseinandersetzen, dass die Mehrheit der Gesellschaft die Welt völlig anders sieht als sie. Sie sind daher gezwungen, ihre eigene Überzeugung zu hinterfragen und ihren Glauben zu reflektieren.

Das Ergebnis ist das Paradoxon der ignoranten Fundamentalisten der Aufklärung, die Überzeugungen mit Wahrheit verwechseln, und der aufgeklärten Fundamentalisten, die hochreflektiert um andere Weltdeutungsmöglichkeiten wissen und fröhlich und selbstbewusst an ihren eigenen Überzeugungen festhalten.

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Kommentare:

Streiche “stringent” im 3. Abschnitt; ansonsten hervorragend!
dilettantus in interrete () (URL) - 17 Dezember '16 - 10:56


Danke.
Gemeint ist natürlich “relativ stringent”.
Dybart - 17 Dezember '16 - 14:45


Zitat: "Wer also die Meinung vertritt, es gäbe Wahrheit und folglich auch Richtig und Falsch … "

Korrektur: "Wer also die Meinung vertritt, es gebe Wahrheit und folglich auch Richtig und Falsch … "

"gäbe" bringt hier zum Ausdruck, der Autor des Artikels bestreite, dass es Wahrheit gibt, was laut Kontext nicht der Fall ist.
B.S. - 18 Dezember '16 - 22:01


Danke. Korrigiert.
Dybart - 19 Dezember '16 - 14:25


Eine bemerkenswerte, brillante Analyse.
Dazu noch ein paar Gedanken: Die Aussage “Alles ist relativ”, sozusagen das “Dogma” der “Relativisten”, ist nachweislich falsch bzw. genauer gesagt ein Widerspruch in sich. Nimmt man nämlich – in Form indirekter Beweisführung – an, diese Aussage sei richtig, stellt man einerseits fest, dass hier ein Absolutheitsanspruch erhoben wird, eine Gültigkeit ohne Ausnahme. Zugleich bestreitet dieser Satz aber, dass es etwas Absolutes gibt und widerspricht sich somit selbst. Als “ultima Ratio” ergibt sich daraus die meines Erachtens zwingende Schlussfolgerung, dass es etwas Absolutes, ein absolutes Sein geben muss. Für mich ist das ein – wenn auch einfacher, aber doch klarer – Gottesbeweis.
Franz Haugeneder () - 19 Dezember '16 - 18:08





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